Bereits im Dezember 1970 kam es zu Streiks, Massenkundgebungen und Demonstrationen in Gdingen, Danzig und Stettin
und 1976 in Radom und Ursus, die sich gegen die kommunistischen Machthaber richteten. Das brutale Vorgehen der Polizei
gegen die Proteste und die hohen Haftstrafen führten am 23.9.2976 zur Gründung der KOR (Komitet Obrony Robotników, dt.:
Komitee zur Verteidigung der Arbeiter). Ihm gehörten u.a. an: der Literaturkritiker Jan Józef Lipski, der Schriftsteller
Jerzy Andrzejeski, die Schauspielerin Hanna Mikołajska, der Ökonom Jazek Kuroń und der Historiker Adam Michnik.
Das Komitee betreute betroffene Familien, leistete juristische Hilfestellung und protestierte gegen die Verletzung der Verfassungsnormen.
Im Lauf der Zeit entstanden verschiedene andere Organisationen mit ähnlichen Zielen. Ein weitverzweigtes Netz von Untergrundverlagen
produzierte unzensierte Zeitungen und kritische Bücher.
Der PZPR (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, dt.: Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) fiel es immer schwerer sich auf
diese gesamtgesellschaftlichen Proteste einzustellen. Vor allem die immer schlechter werdende wirtschaftliche und soziale Lage
des Landes sorgte in der Bevölkerung für enormen Unmut. Im Jahr 1980 steckte das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise.
Die staatlich geregelten Preise für Grundnahrungsmittel und Gebrauchgüter schossen in die Höhe, doch erst die Erhöhung der
Fleischpreise am 1. Juli 1980 löste eine breite Welle der Empörung und Unruhen aus. Die Arbeiterklasse Polens fühlte sich
von der PZPR aufs Schärfste provoziert. In Lublin kam es zu zahlreichen Streiks und Demonstrationen. Am 14. August breiteten
sich die Streiks auf die Küstenregion aus: In zwei Abteilungen der Danziger Lenin-Werft streikten die Arbeiter. Tausende von
Beschäftigten im ganzen Land legten ihre Arbeit in den Betrieben und Kombinaten nieder.
Der Elektriker Lech Walesa - der schon 1976 wegen der Beteiligung an der Protestbewegung entlassen worden war - leitete
das Streikkomitee der Lenin-Werft in Danzig, das mit der Betriebsleitung der Werft verhandeln sollte. Man forderte neben einer
Gehaltserhöhung die Wiedereinstellung der wegen ihres politischen Engagements kurz zuvor entlassenen Kranführerin Anna Walentanowicz
und Lech Walesas. Obwohl die Verhandlungen zunächst positiv verliefen, beschlossen die Streikführer ein Zeichen zu setzen, weiter zu streiken,
um nicht das Schicksal der früheren Streikbewegungen zu teilen, die letztendlich meist wirkungslos verpufft waren.
Nach Gründung des "überbetrieblichen Streikkomitees" am 17. August 1980 wurden 21 Forderungen erarbeitet. Unter anderem
wurde das Recht auf die Bildung unabhängiger Gewerkschaften, die Radioübertragung katholischer Messen, eine verminderte Zensur
und die Freilassung politischer Dissidenten gefordert. Das "überbetriebliche Streikkomitee" sollte auch nach Beendigung der Streiks
die Einhaltung der Forderungen überwachen.
Am 31. August 1980 wurde nach langen und zähen Verhandlungen zwischen einem Regierungsausschuß und dem überbetrieblichen Streikkomitee
das Danziger Abkommen unterzeichnet, das in leicht veränderter Form auch in Stettin und Schlesien unterzeichnet wurde. Dies war ein großer
Schritt für ein kommunistisches Land. Die Regierung von Edward Gierek trat zurück.
In diese Zeit fällt auch die Entstehung der Gewerkschaft Solidarność. Überall im Lande entstanden Komitees der Gewerkschaft,
der bis zum Herbst 1981 ca. 10 Mill. Mitglieder beitraten. Lech Walesa
wurde zum Vorsitzenden der Solidarnosc ernannt. Walesa wurde in kürzester Zeit außerordentlich
bekannt. Durch seine Beliebtheit gelang es ihm, auf dem Land eine
Solidarnosc-Bewegung zu etablieren und damit eine Koalition zwischen
Arbeitern und Bauern zu gründen. Bis zum Ende des Jahres
1981 machten sich zwei gegensätzliche Tendenzen innerhalb der
Gewerkschaft bemerkbar. Wahrend Walesa zum pragmatischen, gemäßigteren
Teil gehörte, entwickelte sich um Jan Rulewski und Andrzej Gwiazda
radikalere national-konservative Bewegung.
Im März 1981 kam es im Zusammenhang mit einem Manöver der Truppen des
Warschauer Paktes zu einem brutalen Übergriff auf Mitglieder der
Solidarnosc. In Bromberg werden Delegierte der Solidarnosc unter der
Führung von Jan Rulewski von der Polizei zusammengeschlagen.
Als Reaktion darauf streikten im ganzen Land über 13 Millionen
Arbeiter für vier Stunden. Dieser organisierte Protest ist der größte in
der Geschichte der Ostblockstaaten.
Auf dem vierten Plenum des Zentralkomitees der PZPR vom 16. bis 18. Oktober 1981 wurde daraufhin der als gemäßigt geltende
Parteichef Stanisław Kania durch den als Hardliner bekannten Verteidigungsminister General Wojciech Jaruzelski ersetzt. Ziel war es,
damit die immer größer werdenden Forderungen der stark anwachsenden Gewerkschaftsbewegung Solidarność einzudämmen. Etwaige militärische
Vorbereitungen für einen entscheidenden Schlag gegen die Opposition waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.
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